LUFTKRIEG – DIE NATURGESCHICHTE DER ZERSTÖRUNG

06.05.2025 20:00

Veranstalter / Text: Weitwinkel-Kommunales Kino Singen e.V.

# FOKUS <8. MAI '1945/2025': 80. JAHRESTAG ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN EUROPA > # 1

Am 8. Mai 1945, vor 80 Jahren, endete in Europa der 'Zweite Weltkrieg', im September in Asien. Verschuldet durch die deutsche NS-Diktatur (und einhergehend mit dem Menschheitsverbrechen des Holocaust/der Shoah) verloren durch seine Verheerungen annähernd 65 Millionen Menschen – in der Mehrzahl ZivilistInnen - ihr Leben.  
Es bleibt, den Opfern, den historischen Ereignissen und ihren Nachwirkungen  weiterhin in Erinnerung, Gedenken und Reflexion/Erkenntnis zu begegnen. Auch in diesem Sinne zeigen wir anläßlich des 80. Jahrestages in Kooperation mit der Initiative STOLPERSTEINE SINGEN und mit dem BÜNDNIS DEMOKRATWIEL** eine kleine Fokus-Reihe mit drei, auch formal ganz unterschiedlichen Filmen (#1 Luftkrieg / #2 Komm und sieh / **#3 Das kostbarste aller Güter), deren 'Erzählungen' und künstlerische Form/en aber allesamt auf allgemeine Ebenen in der Auseinandersetzung mit dem 'Phänomen'  Krieg und damit auf universelle, ethische Fragen verweisen.
Film #1 thematisiert in Form einer 'filmisch-essayistischen' Doku-Collage den Luftkrieg zwischen den Alliierten und NS-Deutschland und das Ausmaß seiner Zerstörungen. | “Wie ist es möglich, dass das Töten anderer Menschen immer noch ein universell eingesetztes Mittel ist, um politische oder wirtschaftliche Ziele zu erreichen? Ich denke, mein Film handelt von der Natur des Krieges. Jedes Krieges. Er ist der Versuch, einen Blickwinkel zu finden, von dem aus die Absurdität der Zerstörung so deutlich wird, dass sie, einmal gesehen, nie wieder ungesehen bleiben kann.“_(Sergei Loznitsa)
Inspiriert von W. G. Sebalds Buch Luftkrieg und Literatur(1999), der sich mit den Einschreibungen der  Traumata der Flächenbombardierungen in der deutschen Nachkriegsliteratur befasst hat, und dessen englischen Originaltitel 'The natural history of destruction' er für den Film übernimmt, zielt der renommierte ukrainische, seit langem in Deutschland arbeitende und lebende Filmemacher Sergei Loznitsa (*1964; u.a. Maidan(2015)/Mein Glück(2011)/Im Nebel(2012)) in seinem diskutierten 20. Dokumentarfilm auf eine gleichsam 'exemplarische' Ebene der Betrachtung von Zerstörungen im 'modernen' Krieg. Loznitsa montiert ausschließlich historisches, teilweise neu recherchiertes und bislang nicht öffentlich gezeigtes Filmmaterial aus diversen Archiven (Deutschland/Großbritannien/Frankreich/ USA/Niederlande) und 'collagiert' es in restaurierter Bildqualität, mit neu erstellte Sounddesign und eigens komponierter Musik (Christiaan Verbeek) in der Tongestaltung in nicht-chronologischer Folge – ohne eigene Kommentierung oder benennende Einordnung. In episodischer Dramaturgie setzt der Film mit Szenen des gewöhnlichen Alltagslebens in Deutschland in den 1930er Jahren ein, zeigt mit Gebäuden, Straßen, Städten den Lebensraum, der verloren gehen wird. Es folgen Aufnahmen der massiven Zerstörungsakte mit den Flächenbombardements. Die weitere Episoden zeigen die Geschichte der Schaffung der technischen Mittel (Rüstungsfabriken und Bomberflotten beider Seiten) zur Umsetzung dieser Zerstörung und schließlich (teils in Farbaufnahmen) deren Folgen und Auswirkungen. Eingeflochten sind, ebenfalls ohne direkte Kontextualisierung, als politische Statements zum Bombenkrieg kurze Ausschnitte aus Ansprachen von Bernard Montgomery (Field Marshall), Admiral Arthur Harris (Marshal of the Royal Air Force), Winston Chuchill (Prime Minister) einerseits und Joseph Goebbels (NS-Reichspropagandaminister; im Off) andererseits. Loznitsa hat betont, dass er genauso hätte Aufnahmen vom zerstörten Warschau oder anderen bombardierten Städte verwenden können, da es ihm um eine allgemeinere Perspektive der Reflexion geht. Loznitsa schreibt: “Ist es moralisch vertretbar, die Zivilbevölkerung als Mittel im Krieg einzusetzen? Ist es möglich, Massenvernichtung mit höheren „moralischen“ Idealen zu rechtfertigen? Was sollen wir mit dieser Zivilisation tun, die es uns ermöglicht, auf Massenvernichtung zurückzugreifen und tödliche Waffen in planetarem Ausmaß einzusetzen?Diese Fragen sind heute noch genauso aktuell wie vor 80 Jahren und ihre Dringlichkeit zeigt sich auf tragische Weise im gegenwärtigen politischen Geschehen.“(www.loznitsa.com) |
Der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa (*1964, Baranawitschy, Breszkaja Woblasz, Weißrussische SSR/UdSSR) wuchs in Kiew auf. Nach einem abgeschlossenen Studium der Angewandten Mathematik arbeitete er dort bis 1991 am 'Institut für Kybernetik' auf das Gebiet der Künstlichen Intelligenz und nebenbei als Übersetzer aus dem Japanischen. Seit 1996 dreht er Filme, 1997 schloss er ein Regiestudium an der staatlichen russischen Filmhochschule WGIK ab. 2001 zog er mit seiner Familie nach Deutschland. Nach einem Disput mit der ukrainischen Filmakademie (bezüglich des Umgangs mit russischen Filmünstlern, nach Beginn des Angriffskriegs) wurde Loznitsa aus der Akademie ausgeschlossen. Loznitsa hat 20 Dokumentarfilme (z.T. Kurzfilme) gedreht (in denen er sich u.a. mit der Kultur der Erinnerung an den Holocaust und der Geschichte der Sowjetunion beschäftigt hat) und bislang 5 Spielfilme, darunter sein Debüt Mein Glück(2010), Im Nebel(2012) und Die Sanfte(2016), die alle für den Wettwewerb in Cannes eingeladen wurde, ebenso seine Doku Maidan (2014). Seine Werke wurden auf internationalen Festivals weltweit gezeigt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Donbass (2018) eröffnete in Cannes die Sektion „Un Certain Regard“ und wurde mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet. 2021 erhielt er den Spezialpreis der Jury in Cannes (L’Oeil D’Or Award)  für seinen Film Babi Yar. Context (2021). Luftkrieg hatte 2022 in der Sektion Special Screening bei den 75. Fimfestspielen in Cannes Weltpremiere. Sergei Loznitsa lebt mit seiner Familie in Berlin.

“Ein brutaler, kunstvoller, ungemein schmerzlicher und formal präziser Film.“_(New York Times)
“Loznitsas faszinierender filmischer Essay wird passend zu seinem Titel zu einer fast abstrakten, zeitlosen Reflexion von Krieg und Zerstörung und vom Leid von Zivilisten als Konstante der Geschichte. Dass er dabei dieses Beispiel gewählt hat und ohne Kontextualisierung (fast) ausschließlich vom Leid der deutschen Bevölkerung erzählt, die das Naziregime und den Krieg in der Mehrheit bis zum bitteren Ende mitgetragen hat, während er kein Wort über Guernica, Warschau oder Rotterdam verliert – das ist sehr konsequent, allerdings auch diskussionswürdig.(...) W.G.Sebald stand [Anm.: mit seinem Essay »Luftkrieg und Literatur«(1999)] nie im Verdacht, rechtem Geschichtsrevisionismus das Wort zu reden, und ebenso wenig kann man diesen Vorwurf Sergey Loznitsa machen, der sich immer wieder mit dem Abgrund der Nazibarbarei auseinandergesetzt hat, erst im letzten Jahr mit »Babi Yar. Context«(...). Ging es Sebald in seinem Luftkrieg-Essay vor allem um die literarische Verarbeitung des traumatischen Geschehens, zielt Loznitsa in seinem Film auf grundsätzliche ethische Fragen: Ist es vertretbar, im Krieg die Zivilbevölkerung zum Ziel zu machen? (...)führt Loznitsa (führt) uns die Schrecken der Bombardierungen vor Augen. Die Montage des Materials folgt dabei einer klar strukturierten Dramaturgie, die gleichwohl den historischen Kontext außen vor lässt.“_(epd-film)
„Genau darin liegt der Wert dieser Bilder. Sie zeigen in ihrer entrückten Nähe keine chronologische Dramaturgie des Krieges, sondern beschränken sich auf ein davon losgelöstes, zeitloses System der Zerstörung. -(filmdienst)

(The Natural History of Destruction) Deutschland / Niederlande / Litauen 2020-2022 | dokumentarische Form | Regie / Buch / Konzept: Sergei Loznitsa; Montage: Danielius Kokanauskis; Komposition: Christiaan Verbeek; Sound Design: Vladimir Golovnitski; Archive Producer: Manuel Heller; Produktionsleitung: Nathalie Dietrich / Günter Thimm; ProdzentInnen: Regina Bouchehri/Gunnar Dedio/Uljana Kim/Sergei Loznitsa/Maria Choustova / mit RBB und MDR | Dcp/1: 1,33 | s/w + Farbe  | DD5.1 | pädagog. Empfehlung (filmdienst): „ab 12 J.“ | OmdU | FSK: ab 12 J. | 109 Min.

EP: € 5.00
Mitglieder: € 3.00

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