KOMM UND SIEH
07.05.2025 19:30

Veranstalter / Text: Weitwinkel-Kommunales Kino Singen e.V.
# FOKUS < 8. MAI '1945/2025': 80. JAHRESTAG ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN EUROPA > # 2
# FOKUS <8. Mai 1945/2025 > ► Intro siehe Film # 1 | Zum '80. Jahrestag Ende des Zweiten Weltkriegs' in Kooperation mit STOLPERSTEINE SINGEN (www.stolpersteine-singen.de) | Film # 2: Elem Klimovs fiktional-historisierender, so drastischer wie formal singulärer (Anti-)Kriegsfilm hat international bis heute den Ruf eines 'gnadenloses Meisterwerks' . | “Man muss Filme über den Krieg machen. Denn, wie ein weiser Mann einmal sagte: 'Wenn wir unsere Vergangenheit vergessen, sind wir dazu verdammt sie zu wiederholen'. (…) Ich suchte also nach einem Stoff, der sowohl vom Krieg handelte, als auch von der Vorahnung einer drohenden apokalyptischen Katastrophe für diese Welt.“_(Elem Klimov)
Belarus/'Weißrussland', 1943: der 12jährige Florja, noch mehr Kind als Jugendlicher, buddelt am Strand nach alten Gewehren, um endlich Partisan werden zu können. Als er fündig wird, lässt er sich trotz Flehens seiner Mutter rekrutieren und zieht stolz in den Kampf gegen den Kriegsterror der deutschen Wehrmacht. Sein kindlicher Traum von Heldentaten und Abenteuer zerplatzt bald nach der Ankunft im Truppenlager, denn der Kommandant will ihn beim Einsatz nicht dabeihaben. Zurückgelassen begegnet er dem etwas älteren Mädchen Glascha, der Geliebten des Kommandeurs. Zögernd fassen beide zueinander Vertrauen. Sie entkommen einem Angriff nur knapp und zusammen mit Glascha will Fljora seine Familie aufsuchen, kann sie aber nicht finden. Auf der weiteren Suche nach den Partisanenverbänden führt ihn seine Odyssee inmitten des Grauens des deutschen Vernichtungskriegs von Waffen-SS und Kollaborateuren. Fljora scheint in der Erfahrung exzessiver Gewalt um Jahre zu altern - und ringt inmitten der unfassbaren Greuel und mit sich um die Bewahrung eines Rest von Menschlichkeit... [nach: EPD/Filmalmanach'88/Bildstörung.tv/Produktion] |
Der Filmtitel bezieht sich zitierend auf die neutestamentliche 'Offenbarung des Johannes', (Kap. 5-8): „Und ich hörte ein viertes Wesen sagen wie mit einer Donnerstimme: ‚Komm und sieh!‘ Und ich sah ein blasses Pferd, und der darauf saß, dessen Name war der Tod, und ihm folgte die Hölle“. Der über einen Zeitraum von 8 Jahren projektierte und (gegen die Zensur) entstandene, später von fast 30 Millionen Menschen allein in der UdSSR gesehene und auf westlichen Festival vielfach gezeigte und gewürdigte, schonungslose Film beruht auf historischen Ereignissen realer Kriegsverbrechen von SS-Sondereinheiten in Belarus und wurde teils an historischen Schauplätzen gedreht. Der sowjet-russische Regisseur Elem Klimov (*1933--†2003; u.a. Agonie(1981), Abschied von Matjora(1983/87)/ Biografie vgl. WEB-Text) verfasste das Drehbuch gemeinsam mit dem belarussischen Schriftsteller Ales Adamowitsch (*1927-†1994) auf Grundlage dessen autobiografischen Romans Chatynskaja apowesz /Die Erzählung von Chatyn (1972) und der im Buch Feuerdörfer (Я з вогненнай вёскі ,1975/Deutsche Übersetzung in 2024!) u.a. von ihm gesammelten und literarisierten Berichten von Überlebenden der Massaker und der vernichteten Dörfer (u.a. Chatyn).
Klimov gilt als grosser Stilist und Perfektionist des russischen Kinos, mit strengem konzeptuellem Ansatz. Der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger hebt heraus:“Klimov betonte immer wieder, er habe weniger einen Film über den Zweiten Weltkrieg machen wollen (...), als einen grundsätzlichen Film über den Krieg selbst.“[Q.:bildstörung] Klimov selbst äußerte, er wolle mit Idi i smorti! eine „filmische Schallmauer durchbrechen.(...) Der [Zuschauer] denkt, er wisse alles über den Krieg. Aus Büchern, Filmen, aus Familiengeschichten. Doch Information ist nicht alles – gelernt haben wir viel, Gefühle sind uns fremd. (…) Für mich muss maximale emotionale Einwirkung mit extremer Wahrhaftigkeit einhergehen. Dabei meine ich nicht dokumentarische Authentizität.Für mich war die Frage des Stils entscheidend. (...)Beim Dreh dieses Films spürten wir eine bestimmte Veranstwortung, gegenüber den Opfern, die im Kampf starben, und den Leuten, die verbrannt wurden.“ In einem Werbefilm für Komm und sieh wird der junge Hauptdarsteller Alexej Kravchenko gefragt: „Warum wurde der Film Ihrer Meinung nach gedreht?“ Er antwortet: „Damit es keine Kriege mehr geben wird.“ | ● Wir zeigen die restaurierte Fassung (2K), die 2017 beim IFF Venedig als beste Restaurierung ausgezeichnet wurde.| ● *Hinweis: der Film enthält explizite (Kriegs-)Gewalt-Darstellungen (FSK:16J.).
Regisseur Elem Klimov (*1933-†2003) erlebte als Kind während seiner Evakuierung den Angriff auf seine Geburtsstadt Stalingrad/Wolgograd. Der zuerst diplomierte Hubschrauber-Ingenieur studierte von 1960 bis 1962 an der Moskauer Filmhoschule WGIK und erhielt für seine Kurzfilme bereits Auszeichnungen. “Einer der filmpolitisch und –kulturell markantesten Regisseure der legendären sowjetischen 1960er-Generation, der sich gleich mit seinen ersten Filmen als Rebell gegen die Unmoral totalitärer Strukturen profilierte, als radikal konsequenter Verfechter von „Tauwetter“-Hoffnungen, denen er auch in den Zeiten von Breschnjevs 'neuer Eiszeit' treu blieb. (..) In 23 Sowjetjahren konnte Elem Klimov lediglich sechs Langfilme drehen, die allerdings künstlerisch wie politisch stets Akzente der besonderen Arte setzten“, so der Filmwissenschaftler Hans-Joachim Schlegel (filmdienst 24/03, Nachruf). Zumeist in ständiger Auseinandersetzung mit den staatlichen Produktions- und Zensurbehörden entstanden, zählen Agonie/Agonija(1974-1982), Abschied von Matjora (1979-1983/87) und zuletzt sein 'Vermächtnis' Idi i smortri!(1985) zu seinen bedeutensten Werken. Als 'Erster Sekretär' des 'Filmemacherverbands der UdSSR' setzte er danach weitreichende filmpolitische Veränderungen im Sinne der Perestrojka-Politik Gorbatschows um. Filme konnte er keine mehr realisieren. Mit den ersten „Nachwende-“Jahren zog er sich zurück und widmete sich dem Schreiben von Gedichten. Er starb 2003 in Moskau
„[Einer] der eindringlichsten und wichtigsten Kriegsfilme.(...) Subversiv unterläuft der Film dabei die Konventionen des Genres: (…) Klimov und Co-Autor Adamowitsch (zeigen) den Krieg als Delirium aus Agonie und Irrsinn, Grausamkeit und Schmerz.Basierend auf Adamowitschs autobiografisch geprägtem Roman »Die Erzählung von Chatyn«, kulminiert der Film in einer fast halbstündigen Sequenz, die die Vernichtung eines Dorfes samt seiner Bewohner schildert. Flyora ist mittendrin in diesem bizarren, in seiner Drastik schwer erträglichen »Bacchanal des Bösen« (Klimov), das an reale Verbrechen der SS-Sondereinheit Dirlewanger angelehnt ist. Doch den harschen Naturalismus konterkariert der Film auch mit einigen seltsam poetischen und stilisierten Momenten. Und immer wieder blicken Menschen in Großaufnahme direkt in die Kamera, als forderten sie uns dringend auf, uns nicht abzuwenden.“_(epd-film)
„Die Bilder des Films, ihre Wucht, mit der sie den Betrachter überwältigen, wirken wie grelle Blitze und brennen sich ins Gedächtnis ein. Obwohl sich die Frage aufdrängt,ob das Nicht-Faßbare und Entsetzliche mit künstlerischen Mitteln nachvollziehbar ist, bleibt der Film ein notwendiger Beitrag, sich mit dem hierzulande immer noch verschwiegenen schrecklichen Geschehen auseinanderzusetzen. Mit seinen Schlußsequenzen wird er zur Mahnung an die Nachgeborenen.“_(Jury der evangelischen Filmarbeit/Film des Monats 9/1987)
„Klimovs aufrüttelnder, unbequemer und unter die Haut gehender Film nimmt keine Rücksicht auf die Schmerzgrenze der Zuschauer.“_(Filmalmanach 1988)
“Im Kaleidoskop der Genres und Stile nimmt der Film Idi i smotri (Komm und sieh!) von Elem Klimow eine ganz besondere Haltung ein: Er zeigt Krieg als apokalyptisches und surreales Mysterium.(...)
Mit einer für den Zuschauer unmerklich forcierten Vereinnahmung, mit dessen gewaltsamer Platzierung an die Stelle des Helden – und zwar so raffiniert und allmählich, dass der zum Kommen und Sehen Aufgeforderte dies erst wahrnimmt, nachdem die Falle schon zugeschnappt ist und er nicht mehr entrinnt. Klimows Film ist auf diese überwältigende suggestive Wirkung ausgerichtet. “_(dekoder.de)
“Ein Film, der absolut hoffnungslos bleibt und den apokalyptischen Wahnsinn des Kriegs an der Ostfront auf eine Weise zeigt, wie es vor- und nachher kein Regisseur wagte.“_(taz-die tageszeitung)
“Es gibt Gräuel, die einen den Verstand verlieren lassen, wenn man sie sieht. Und Filme, die diese Erfahrung nachvollziehen, so wie dieser Sowjetklassiker, den man dringend gesehen haben sollte.“_(Süddeutsche Zeitung/SZ
“Die erschütternde Geschichte des Reifungsprozesses eines 12-jährigen Jungen vor dem Hintergrund von NS-Greueln in Belorußland 1943. Über weite Strecken sehr eindrucksvoll und vielschichtig.“_(filmdienst.de)
“ Komm und sieh' ist kein Film, den man leichten Herzens schaut; gleichviel, ob man ihn zum ersten oder zum wiederholten Mal sieht. Er verdient seinen Ruf, einer der erschütterndsten, brutalsten Kriegsfilme zu sein. Im Grunde ist das "einer" sogar zu viel: Es ist etwas Unbedingtes an Elim Klimovs Film, dem mit dem Komparativ schwer beizukommen ist.“_(Gerhard Midding/epd-film)
“'Come and See' sounds like an invitation to a child’s game. Nothing could be further from the truth. […] hallucinatory nether world of blood and mud and escalating madness“_(Washingtonpost.com)
„KOMM UND SIEH zeigt den Krieg mit dokumentarischem Impetus, er macht die Grausamkeit des Krieges aber gleichzeitig auf intensive Weise spürbar, indem der den Schmerz (des Hinsehens) ins Zentrum stellt. Am Ende schlägt der Film einen fast spiriuellen Ton an.“_(Prof. M. Stiglegger/Essay BD-booklet/bildstörung
(Иди и смотри / Idi i smotri) UdSSR 1985 | fiktionale Form | Regie / Co-Buch: Elem Klimov (*1933-†2003) | Buch: Ales Adamowitsch (*1927-†1994), nach seinem Roman Die Erzählung von Chatyn (Chatynskaja apowesz, 1972, 1976) und den Augenzeugenberichten in Feuerdörfer (1975/Deutsch 2024); Kamera: Alexej Rodionow; Musik: Oleg Jantschenko; Schnitt: Valeria Belova; Production-Design: Viktkor Petrow; Kostümdesign: Eleonora Semjonowa; Produktion: Belarusfilm/Mosfilm [UdSSR] | DarstellerInnen: Alexej Krawtschenko (Fljora), Olga Mironowa (Glascha), Liubomiras Laucevicius (Kosach), Wladas Aqudonas (Roubej), Viktor Lorenz (deutscher General), Jüri Lumiste (Nazioffizier), Jewgeni Tilischejew (Gezhal, deutscher Übersetzer), Tatjana Schestakowa (Fljoras Mutter), Alexander Berda (Stabschef der Partisanenabteilung) u.a. | Dcp/1: 1,37 | Farbe / teilw. s/w | DD2.0 | Restaurierte Fassung (2020) | Pädagogische Empfehlung: „empfehlenswert ab 18 J.“(filmdienst) | OmdU | FSK: ab 16 J.* | 143 Min. (Überlänge/keine Pause; Hinweis: der Film enthält explizite Gewaltdarstellungen)
EP: € 5.00
Mitglieder: € 3.00
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